Traditionen und Bräuche: alles altbacken! Oder doch nicht?

In unserer globalen und modernen Zeit sind wir oft überzeugt davon, weder traditionell noch kulturell stark geprägt zu sein. Beginnt man mit der Hochzeitsplanung, wird man dann schnell eines Besseren belehrt. Man merkt, wie stark einen das Thema Heirat, Familie, Werte und vieles mehr bewegt. Wie viel man gar nicht wusste, auch nicht darüber, welche Werte man in sich trägt und was einem wirklich wichtig ist.

Sind wir nicht alle (einbisschen) traditionell?

Kommt man durch die Hochzeitsplanung mit Traditionen in Berührung, entstehen plötzlich Fragen. Nicht nur bei sich selbst, auch bei den Familien. Man erfährt von üblichen Ritualen – mal mehr, mal weniger bekannt. Erinnert sich an die Hochzeit von Verwandten und bildet sich so langsam eine Meinung. Vor allem stellt man zum ersten Mal für sich ganz bewusst fest, welche Werte und kulturelle Prägungen man selbst erfahren hat.

Und dann passieren die wildesten Dinge: War Religion zuvor nie ein Thema, ist man plötzlich begeistert von dem Gedanken in der Kirche zu heiraten. Hört man selten die Musik aus der zweiten Heimat, soll sie bei der eigenen Hochzeit auf einmal unbedingt dabei sein. Am besten in Form von traditionellen Volkstänzen, die man schon lange nicht mehr getanzt hat. Vielleicht war es bei den anderen Hochzeiten immer so schön, weil es sich irgendwie so verbunden anfühlte? Verrückt was da so passiert, plötzlich ist man doch bisschen traditionell!

Durch die bevorstehende Hochzeit werden einem die eigenen kulturellen Wurzeln bewusst. Vielleicht möchte man nicht jeden Brauch übernehmen, aber dennoch die eigene Kultur einfließen lassen – sei es durch Sprache, Musik, Tanz oder Essen. Einfach weil man merkt, dass es tatsächlich ein Teil von einem ist. Mehr als es einem vielleicht sogar bewusst war.

Das alte Klischee: Traditionen sind alt und völlig uncool

Oft werden Traditionen heute als veraltet, nicht zeitgemäß wahrgenommen. Besonders bei modernen Hochzeiten sind Bräuche und Traditionen verpönt. Als verstaubt und altbacken betrachtet, als ein Korsett aus Vorgaben, dass man unserer modernen Generation bitte nicht auferlegen sollte. Dabei vergessen viele Menschen, dass wir ständig von Traditionen umgeben sind, diese aber nicht als Tradition, sondern als „übliche“ Handlung wahrnehmen. Der Weihnachtsbaum? Tradition. Und total üblich an Weihnachten.

Was also ist Tradition?

Um es mit den Worten Wikipedias zu sagen: „Tradition (von lateinisch: tradere „hinüber-geben“ oder traditio „Übergabe, Auslieferung, Überlieferung“) bezeichnet die Weitergabe von Handlungsmustern, Überzeugungen und Glaubensvorstellungen u. a. oder das Weitergegebene selbst (beispielsweise Gepflogenheiten, Konventionen, Bräuche oder Sitten). Tradition geschieht innerhalb einer Gruppe oder zwischen Generationen…. Die soziale Gruppe wird dadurch zur Kultur.“

Traditionen sind also die Urbestandteile einer Kultur. Unsere kulturellen Prägungen bestehen aus den Wurzeln, denen wir entstammen. Aber ebenso aus den Kulturen, von denen wir umgeben sind und mit denen wir aufwachsen. All diese Elemente ergeben die Bestandteile unserer Persönlichkeit, beeinflussen unsere Gesellschaft und sind somit Bestandteil unseres Lebens, bemerkt oder unbemerkt. Tradition und Kultur sind somit untrennbar mit uns Menschen verbunden. Deshalb sollten wir für einen friedlichen und respektvollen Umgang miteinander kulturelles Verständnis entwickeln und erkennen, dass Traditionen durchaus etwas Schönes sein können.

In Traditionen verbergen sich Geschichten, erfunden oder echt. Sie erzählen uns etwas, sie lehren uns. Besonders bei Hochzeiten tragen Traditionen wunderschöne Symbolik in sich. Sie gestalten sich dabei globaler als man vermutet, denn kulturübergreifend verbindet sie eines: die Würdigung eines besonderen Ereignisses und der Wunsch nach Glück für die Frischvermählten. Die traditionellen Rituale und Zeremonien bei Hochzeiten sollen die Wichtigkeit dieses Momentes, die Schließung einer Ehe, die Gründung einer eigenen Familie unterstreichen. Sie dienen dem Glück des Brautpaares, sie sollen ihnen Reichtum und natürlich viele Kinder bescheren.

Nicht die Asche anbeten, sondern das Feuer weitergeben.  

Über Jahrhunderte wurden diese Bräuche weitergegeben und werden noch heute in vielen Kulturen gelebt. Einen Ring anzustecken ist auch eine Tradition und kein religiöser Brauch oder Gesetz. Es ist eine alte, bis heute erhaltene Tradition, weil sie den Menschen etwas bedeutet. Darin braucht man nichts Altes, nichts Verstaubtes zu sehen. Vielmehr lässt sich darin die Verbindung zu der Geschichte einer Kultur, zu den eigenen Wurzeln und vor allem das Zelebrieren von besonderen Momenten entdecken. Gustav Mahler hat die Bedeutung von Tradition wunderbar formuliert:

„Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“

Schöner könnte ein Satz Tradition, aber vor allem den richtigen Umgang mit ihr, nicht beschreiben. Es geht darum, nicht an etwas festzuhalten, es anzubeten oder gar sich über andere zu stellen. Es geht um die Weitergabe von Wissen, von Geschichten über uns Menschen. Von Ritualen und Bräuchen, die etwas bedeuten.

Es sind gerade die Traditionen, die einer Hochzeit die magischen Momente verleihen. Die rituellen Zeremonien, die alle Anwesenden an etwas Besonderem teilhaben lassen. Was wäre eine Hochzeit ohne den Ringtausch? Ohne das Jawort? Ja, ganz genau, auch das sind Bräuche, gelebte Tradition, vor Jahrhunderten geschaffen und noch heute lebendig. Zum Glück! Denn mal ehrlich, was wäre eine Hochzeit ohne all die schönen Rituale und Zeremonien? Es wäre einfach nur eine Party…

Natürlich gibt es Traditionen, die gut und weniger gut in unsere moderne Zeit passen. Nicht jeder Brauch passt in die eigenen Wertvorstellungen oder ganz simpel: in den erträumten Hochzeitstag. Das ist in Ordnung, jeder kann für sich entscheiden, welche Bräuche am Hochzeitstag Platz finden sollen und welche nicht. Hauptsache, man hat mal in sich reingehört und für sich ganz frei entschieden.  

Pinar

 

P.S. Noch mehr Tipps zum Umgang mit Kultur und Hochzeitsbräuchen findet Ihr in meinem Buch „Multikulturell heiraten„.

 

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