1000 Gäste - Ausnahme oder Standard bei türkischen Hochzeiten?

Heute bin ich im Internet auf eine Doku über türkische Hochzeiten gestoßen. Gezeigt wurde, laut Magazin, eine „Standard“ türkische Hochzeit. Gefeiert wurde in einem großen Saal, die Gäste saßen an runden, weiß eingedeckten Tischen und in goldenen Stühlen…also alles recht hübsch eingerichtet.Bis hierhin nichts Neues, doch dann teilte die Stimme aus dem Off mit, dass auch die Gästezahl dieser Hochzeit dem Standard türkischer Hochzeiten entspricht: nämlich 1000 Gäste!

Ich komme aus einer sehr, sehr großen Familie. Die Chance auf eine so große Hochzeit eingeladen zu werden wäre also tendenziell hoch, aber die letzte Hochzeit, die ich in dieser Größenordnung miterlebt habe, war 1998! Türkische Hochzeiten in dieser Größenordnung sind wirklich nicht mehr der Standard, sondern inzwischen eher die Ausnahme. Was ich aber besonders schade fand, war die Tatsache, dass die Doku überhaupt nicht darauf eingegangen ist, warum türkische Hochzeiten so groß ausfallen. Es wurde kein Wort über den kulturellen Hintergrund türkischer Hochzeiten verloren – sehr schade.
Ich hätte es schön gefunden, wenn die Dokumentation erklärt hätte, dass die Hochzeit DAS Ereignis überhaupt in einer türkischen Familie ist und deshalb entsprechend gefeiert wird. Wie in jeder Kultur gibt es auch in der Türkei ungeschriebene Gastgeberregeln, die besonders bei Hochzeiten eingehalten werden wollen. Es fängt schon damit an, dass man freudige Ereignisse mit allen Freunden und Verwandten teilen und somit auch gemeinsam feiern soll. Das wissen alle Verwandten und Freunde und erwarten deshalb automatisch eine Einladung. Keine Einladung zu erhalten, kann somit schnell zu beleidigten und verletzten Freunden und Verwandten führen – was die Familien des Brautpaares natürlich um jeden Preis verhinden wollen.
Eine weitere Regel lautet „wurde ich mal eingeladen, muss ich später ebenfalls einladen…“ – was in Anbetracht der oben beschriebenen Regel in einem Teufelskreis mündet…Aber das ist noch nicht alles, denn weiter heißt es „niemals Grenzen setzen, dass wäre unhöflich“. Das erklärt auch warum Kinder auf türkischen Hochzeiten selbstverständlich sind und warum man (rein theoretisch) mitbringen kann, wen man will.

Auch heute noch beherzigen viele Familien diese Regeln, aber eben nur noch in einem gewissen Rahmen. Die meisten Familien konzentrieren sich inzwischen bei den Einladungen auf die „engeren“ Familien- und Freundeskreise und verzichten darauf den Cousin 50. Grades oder die Großtante der Oma auch noch mit einzuladen, denn diese sieht man sowieso selten. Besonders die Brautpaare legen immer mehr Wert auf ein ansprechendes und „intimes“ Fest, weshalb die meisten türkischen Hochzeiten eher eine Größenordnung von 400-500 Personen haben. Ok – auch das ist nicht wenig, aber man hat ja auch was zu feiern 🙂

3 Kommentare zu “1000 Gäste – Ausnahme oder Standard bei türkischen Hochzeiten?

  1. Kratzi sagt:

    Es spielt doch bestimmt auch mit eine Rolle, daß auch die Eltern des Brautpaares einladen, oder? Denn auch hier kommen wahrscheinlich noch viele jahrelange Freunde mit Partnern und Familie dazu. Oder auch Geschäftspartner werden gerne eingeladen, oder?Schade an solch großen Hochzeiten ist halt, daß das Brautpaar gar nicht die Zeit hat, sich um jeden zu kümmern bzw. einen kurzen Plausch mit jedem zu halten.

  2. evetichwill.de sagt:

    Ja das stimmt absolut; das ist traditionsbedingt. Türkische Hochzeiten waren früher nicht nur ein Fest von Braut und Bräutigam sondern auch die Zusammenführung zweier Familien. Die Hochzeit wurde von den Eltern ausgerichtet und bezahlt und natürlich auch eingeladen. Vieles davon ist auch heute noch so, z.B. das man die Hochzeit auch als Familienfest versteht und das die Eltern zahlen. Es stimmt schon, dass das Brautpaar bei großen Hochhzeiten kaum Zeit hat, sich um alle Gäste zu kümmern, aber das muss es auch gar nicht. Da es eben noch so verstanden wird, dass die Eltern miteinladen, sind die Eltern auch für die Gästebetreuung, insbesondere ihrer Geschäftspartner oder Freunde, mitverantwortlich. Das mit dem Plausch ist auch so ne Sache: auf türkischen Hochzeiten wird lieber getanzt als geredet 🙂

  3. Kratzi sagt:

    Ach ich seh' schon … ich bin froh, daß wir so klein feiern. 😉

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